Das Royal Institute of British Architects (RIBA) hat die Shortlist für den renommierten RIBA International Prize bekanntgegeben. Drei herausragende Gebäude in Deutschland, Spanien und China konkurrieren um den Titel des weltweit transformativsten Bauwerks. Der Gewinner des RIBA International Prize 2024 wird am 27. November bekanntgegeben.
Die Finalisten sind:
- Jacoby Studios in Paderborn, Deutschland, von David Chipperfield Architects Berlin
- Modulus Matrix: 85 Social Housing in Cornellà, Barcelona, Spanien, von Peris + Toral Arquitectes
- Lianzhou Museum of Photography in Lianzhou, China, von O-office Architects
Die Finalisten im Detail:
Jacoby Studios (David Chipperfield Architects Berlin, Deutschland)
In der mittelalterlichen Stadt Paderborn entstand Jacoby Studios, der neue Firmnsitz eines Familienunternehmens, das bestehende historische Strukturen mit neuen Elementen zu einem harmonischen Ensemble verbindet. Der respektvolle Umgang mit der Historie und die Kombination aus alten Stein- und Backsteinwänden mit modernen Holz- und Betonelementen schafft ein einzigartiges Arbeitsumfeld.
Die historische Umgebung des Projekts, das einst eine Kapelle und ein Kloster aus dem 17. Jahrhundert beherbergte, wird dabei vollständig respektiert. Zwar wurde ein Großteil der alten Bausubstanz im Krieg zerstört, jedoch blieben dabei viele Steinmauern erhalten. Die Architekten entschieden sich, den Grundriss der Ruinen zu bewahren und die späteren Gebäude anzupassen und einen neuen Klosterhof zu schaffen.
Harmonische Integration von Alt und Neu
Die alten und neuen Gebäudewände harmonieren miteinander und bilden einen neuen Rahmen, der sich nahtlos in das Stadtbild einfügt. Die bestehenden Stein- und Ziegelwände wurden restauriert und sichtbar gelassen, während neue Elemente aus Beton und Holz sorgsam integriert wurden. Das Ergebnis ist ein ruhiges und ausgewogenes Gebäudeensemble, das die Balance zwischen Vergangenheit und Gegenwart meisterhaft wahrt.
Modulus Matrix: 85 Social Housing (Peris + Toral Arquitectes, Spanien)
Das Projekt Modulus Matrix von Peris + Toral Arquitectes ist ein bahnbrechendes, sechsstöckiges Wohngebäude in Cornellà, Barcelona , das 85 Wohneinheiten umfasst. Durch den Einsatz einer innovativen **Holzrahmenkonstruktion** setzt es neue Maßstäbe für nachhaltigen und kostengünstigen Wohnbau in Spanien.
Dieses zukunftsweisende Projekt, das auf einem progressiven Planungsansatz von 2016 basiert, hat die Perspektive des Bauherrn auf das Design und die Bauweise von Sozialwohnungen in Spanien grundlegend verändert. Fünf Jahre nach der Fertigstellung hat das gut durchdachte und detaillierte architektonische Konzept eine starke Nachbarschaftsgemeinschaft geschaffen und den Zusammenhalt unter den Bewohnern erheblich gefördert.
Das Gebäude ist um einen zentralen, gemeinschaftlich genutzten Innenhof herum konzipiert, der von vier Seiten des Gebäudes aus zugänglich ist. Auf allen oberen Stockwerken bieten umlaufende Galerien den Bewohnern einen Überblick auf den Innenhof, während die vier äußeren Fassaden mit privaten, durchgehenden Balkonen ausgestattet sind.
Das Grundrisskonzept basiert auf einem flexiblen 3,6 x 3,6 Meter-Modul, inspiriert von der traditionellen Tatami-Matten-Struktur. Dadurch entsteht eine „Matrix aus kommunizierenden Räumen”, die großzügige und flexible Wohnanordnungen ermöglicht.
Diese modulare Struktur bietet jedem Zuhause eine individuelle Anpassungsmöglichkeit, die es den Bewohnern erlaubt, ihren Lebensraum frei zu gestalten und den Balkon als Erweiterung des Wohnraums zu nutzen.
Modulus Matrix ist ein herausragendes Beispiel für die ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Die Holzbauweise kommt vollständig ohne geschweißte Verbindungen aus und setzt auf eine feine Detailausarbeitung sowie ein konsistentes Modulsystem. Einfache Elemente wie Mesh-Gitter und Fensterläden im Barcelona-Stil sorgen für Privatsphäre und Sonnenschutz. Trotz der strukturierten und wiederholenden Grundrissgestaltung bietet die Architektur eine hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, sodass das Leben sich wie von selbst auf die Balkone und Galerien ausdehnen kann.
Modulus Matrix ist mehr als nur ein Wohngebäude – es ist ein Prototyp für enen nachhaltigen sozialen Wohnungsbau. Die nachhaltigen Aspekte des Projekts und die enge Verzahnung von Design und Gemeinschaft machen es zu einem Vorbild für ähnliche Projekte in Barcelona und darüber hinaus. Dank des niedrigen Budgets und der klar strukturierten Architektur wird dieses Modell in Zukunft sicherlich weiterverfolgt werden und andere Bauherren inspirieren.
Lianzhou Museum of Photography (O-office Architects, China)
Das Lianzhou Museum of Photography von O-office Architects befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Zuckerfabrik in der nordchinesischen Stadt Lianzhou, Guangdong. Dieses Museum wurde gebaut, um die historische Innenstadt von Lianzhou wiederzubeleben und der Stadt neues Leben einzuhauchen. Finanziert durch öffentliche Mittel entstand das Projekt als Ergebnis des Erfolgs jährlicher Fotografie-Ausstellungen und dient nun als kulturelles Zentrum.
Im Zentrum des Museums befindet sich ein restauriertes Lagerhaus, umgeben von einer U-förmigen, drei- bis fünfstöckige Neubau-Struktur.
Die Gebäude sind durch einen weitgehend offenen Innenhofkomplex miteinander verbunden, der Galerien und Begegnungsstätten umfasst und moderne Kunst harmonisch mit lokaler Identität kombiniert. Die gefaltete Dachkonstruktion besteht hauptsächlich aus recycelten Baumaterialien und Steinen aus der Region und wurde von ortsansässigen Handwerkern in Form einer Kombination aus moderner Bauweise und traditionellem Handwerk entsprechend kostengünstig umgesetzt.
Alle Außenbereiche rund um die Ausstellungsräume, einschließlich des Erdgeschosses und des Dachbereichs, sind für die Öffentlichkeit zugänglich. Das Erdgeschoss integriert sich nahtlos in die Straßen und Gassen der Stadt und erweitert sich durch verschlungene halboffene Treppen und Hallen bis zum Open-Air-Theater auf dem Dach. Große Fenster ermöglichen eine Sicht auf das lebendige, eng verknüpfte Viertel rund um das Museum und schaffen eine Verbindung zwischen der Offenheit der Galerie und dem geschlossenen Charakter der Nachbargebäude.
Vom Dach aus wird deutlich, wie perfekt das Gebäude in diesen alten Teil von Lianzhou integriert ist.
Neben den formalen Kunstveranstaltungen in den professionellen Ausstellungsräumen werden im Erdgeschoss informelle öffentliche Ausstellungen und Events abgehalten. Der gesamte Komplex fungiert nicht nur als “Kunstdorf”, sondern auch als offener Treffpunkt, an dem Besucher die lokale Bevölkerung und ihre Traditionen kennenlernen können. Das Museum ist daher mehr als nur ein Kunstkomplex – es ist ein lebendiger Ort des Austauschs und der Gemeinschaft.
Das Lianzhou Museum of Photography ist nicht nur ein architektonisches Highlight, sondern auch ein Modell für nachhaltige Architektur, das die lokale Materialkultur bewahrt und die Revitalisierung kleiner Städte fördert. Die Verwendung lokaler Materialien und traditioneller Bauweisen schafft einen neuen Standard für nachhaltiges Bauen und trägt zur Erhaltung der kulturellen Identität bei.
Die Bedeutung des RIBA International Prize
Der seit 2015 verliehene RIBA International Prize ist eine der höchsten Auszeichnungen in der Architektur. Prämiert wird ein Bauwerk, das von visionärem Denken, Originalität und Exzellenz in der Ausführung geprägt ist und einen bedeutenden Beitrag für seine Nutzer, das Umfeld und die Gemeinschaft leistet. Zu den vorhergehenden Gewinnen zählen das Friendship Hospital in Bangladesch (2021) und das Children Village in Brasilien (2018), die durch ihre innovative Gestaltung und ihren positiven Einfluss auf die lokalen Gemeinschaften hervorstechen.
Jury und Auswahlprozess
Die diesjährige Grand Jury wird geleitet von:
- Lu Wenyu, Co-Gründerin des Amateur Architecture Studio
- Tosin Oshinowo, Gründerin von Oshinowo Studio
- Paola Antonelli, Senior Curator im Museum of Modern Art, New York
Die Jury besucht jedes Finalistenprojekt persönlich, um das Bauwerk vor Ort zu erleben und die endgültige Entscheidung zu treffen.
Die Finalisten für den RIBA International Prize 2024 dokumentieren eindrucksvoll, wie Architektur aktuelle globale Herausforderungen – von Nachhaltigkeit bis zur Förderung des Gemeinwohls – annimmt und umsetzt. Die Gebäude verkörpern eine Symbiose aus Innovation, Tradition und sozialem Engagement und stellen somit inspirierende Beispiele für die Zukunft des Bauens dar.
- Royal Institute of British Architects (RIBA) – www.architecture.com
- David Chipperfield Architects Berlin – www.davidchipperfield.com
- Peris + Toral Arquitectes – www.peristoral.com
- O-office Architects – www.o-office.com
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