Nur wenige Menschen kennen die Möbel- und Küchenmöbelbranche so gut, haben sie so erlebt und auch mitgeprägt wie Werner Heilos, Vorstandsvorsitzender der MHK Group. Der erfahrene Branchenkenner repräsentierte während seiner heute 44-jährigen beruflichen Laufbahn nicht nur einige renommierte Unternehmen, darunter den Markenhersteller Hülsta sowie den damals erfolgreichen Küchenmöbelhersteller Alno, sondern durchlebte und meisterte in dieser Zeit einige gesamtwirtschaftliche und branchenspezifische Paradigmenwechsel.
Werner Heilos: Die einzige Branche, in der ich aktiv war und bin ist die Möbel- und Küchenbranche. Es hat mich auch nie in eine andere Branche gezogen, denn die Küche ist ein tolles, emotionales Produkt. Fasziniert haben mich auch immer der fast schon familiäre Charakter, ihre Persönlichkeiten. Denn unsere Branche ist im Vergleich zu anderen eher klein, was dazu führt, dass man die Menschen, die unsere Branche ausmachen und sie prägen, wirklich kennt. Das vereinfacht auch das Miteinander. So stehen wir z.B. nicht nur mit unseren Industriepartnern, sondern vor allem auch mit unseren Gesellschaftern kontinuierlich in regem Austausch. Deren Interessen werden bei uns durch gewählte Beiräte vertreten. Diese Institution ist auch in unseren Gesellschafterverträgen der KG fest verankert. Die Beiräte informieren uns nicht nur über die aktuelle Marktlage, sondern liefern uns auch die Ideen für neue, nachhaltige Konzepte.
Und diese Konzepte müssen permanent angepasst werden, wie man z.B. auch an der in den 80er Jahren eingeführten Blockverrechnung sehen kann.
Werner Heilos: Ich erinnere mich noch an deren Markteinführung: „Da gibt es eine neu Verrechnungsmethode am Markt, wir müssen uns dringend zusammensetzen!“, hieß es damals bei Alno. Kurz zuvor hatte Dieter Wellmann diese Verrechnungsmethode ins Leben gerufen und wir brachten viele Stunden damit zu, uns durch dieses Konstrukt hin durchzumanövrieren. Heute gibt es diese Verrechnungseinheit immer noch. Durch diese – auch politisch genutzte – Verrechnungseinheit stellen die Küchenmöbelhersteller, die das Geschäftsfeld der Komplettvermarktung bedienen, u.a. sicher, dass ihre Geräte-Eigenmarken im Internet nicht einzeln verramscht werden können. Es gibt diese Geräte immer nur en bloc, bzw. kommissionsweise mit den entsprechenden Küchenmöbeln. Im Nachhinein gesehen hat die Einführung der Blockverrechnung bis heute Vorteile wie auch Nachteile. Die Preistransparenz ist dabei auf der Strecke geblieben. Aufgrund dessen setzen einige Hersteller auf Einzelteileverrechnung oder auch auf Werteverrechnung. Für unsere Mitglieder stellen die unterschiedlichen Verrechnungseinheiten auf jeden Fall kein Problem mehr dar: Mittlerweile sind Softwareprogramme wie Carat so intelligent programmiert, dass sie alle Verrechnungseinheiten beherrschen und jedem Fachhändler die Preise so errechnen, wie er sie benötigt.
Damit nennen Sie einen weiteren Paradigmenwechsel, nämlich die schrittweise im Handel eingeführte Digitalisierung. Auch dieser Teil der Prozessoptimierung hat sicherlich zur Sicherung des Vertriebskanals beigetragen?
Werner Heilos: U.a., ja. Als ich in der Küchenbranche anfing, verlor der Küchenfachhandel Jahr für Jahr Marktanteile. Zu dieser Zeit gab es sogar Stimmen, die behaupteten, die Großfläche würde den Spezialhandel vom Markt völlig verdrängen. Dann kam es langsam zu einem Turnaround und die Marktanteile verschoben sich erneut. Der Küchenfachhandel legte zu und repräsentierte 40 Prozent, 50 Prozent stemmte der Möbelhandel und 10 Prozent lagen bei den SB-Vermarktern. Leider gibt es heute aus dem SB-Bereich keine Daten mehr, da die beiden Hersteller, die diese Informationen liefern könnten, das nicht mehr tun. Was den Küchenspezialhandel und den Möbelhandel betrifft kann man heute jedoch, was die Marktanteile in Wert anbelangt, von einer Pari-Situation ausgehen. In dieser Werte-Entwicklung sehen wir auch unsere Chance. Das Jahr 2019 mit einem Plus von 10,5% auf 6,642 Mrd. Euro war das beste Jahr der MHK-Unternehmensgeschichte. Auch 2020 konnten wir mit einem Plus 15,3 zweistellig wachsen. Das ist aber auch kaum verwunderlich. Denn das Jahr 2020 bewegte sich außerhalb jeglichen Normalmaßes mit Zuwächsen zwischen 25 und 30 Prozent im Vergleich zu 2019. An dieser Entwicklung sieht man den anhaltenden Zuspruch der Verbraucher zum Küchenspezialhandel, sicherlich beeinflusst durch den Lockdown der Großfläche, aber vor auch durch den Wunsch der Verbraucher nach einer individuelleren Einrichtung und nach der persönlichen, fachkompetenten Betreuung durch den Unternehmer. Ich bin fest davon überzeugt, dass gerade die beiden letzten Faktoren, die Nachfrage nach Individualität und die persönliche Beratung, die Eckpfeiler des Erfolges unserer Mitglieder sind.
Die Antwort der Industrie auf den steigenden Wunsch der Konsumenten nach Individualität ist, wenn man die Hausmessen 2020 betrachtet, u.a. auch die Varianz.
Werner Heilos: Durchaus. Die Varianz ist für die Industrie extrem aufwändig. Aber wenn man Wertschöpfung betreiben will, muss man wissen, dass dieses Individual-Angebot am Ende des Tages Dienstleistung impliziert und Wertschöpfung auslöst. Die Automobilindustrie macht uns das bereits vor. Sie bekommen jede gewünschte Farbe, direkt vom Hersteller. Das Thema Individualität lässt sich aber nicht allein auf das Produkt reduzieren. Das, was ein guter Verkäufer bzw. Berater im Vorfeld an Individualität für seinen Kunden eruiert und in die Planung einbringt – Linkshänder? Rechtshänder? Großfamilie? Single? Isst gerne Fisch oder lieber Fleisch? Kauft täglich frisch ein oder nur einmal die Woche? – usw. führt bereits zu einer völlig einzigartigen Einrichtungslösung. Eine Küchenplanung und -beratung ist somit deutlich aufwändiger als jeder Autokauf, das betrifft sowohl das übergreifende Fachwissen als auch den Bestellaufwand. Und obendrein soll die Küche noch reklamationsfrei montiert werden. Das kann der Fachhandel, das Internet kann das nicht.
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