Verschärfte Finanzierungsbedingungen, negative wirtschaftliche Prognose und zunehmenden ESG-Druck erschweren die Lage. ULI und PwC stellen aktuelle Studie „Emerging Trends in Real Estate® 2024“ vor.
Laut der aktuellen “Emerging Trends in Real Estate® Europe” Studie von PwC und dem Urban Land Institute (ULI) sind 75 % der Führungskräfte in der Immobilienbranche der Ansicht, dass die aktuellen Bewertungen nicht alle Herausforderungen und Chancen im Immobilienbereich erfassen. Begründet liegt das in den noch immer erheblichen Unterschieden zwischen den Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern. Zahlreiche der über 1.000 befragten Branchenexperten fürchten die unsichere europäische Marktsituation , was zu einem deutlichen Rückgang des Investitionsvolumens führt. So verzeichnete der US-amerikanische Finanzdienstleister MSCI im Vergleich zum Vorpandemie-Zeitraum einen Rückgang von durchschnittlich -42 % des Transaktionsvolumens.
Ein Drittel der Befragten, zeige sich so Sabine Georgi, Geschäftsführerin des ULI Deutschland/Österreich/Schweiz, optimistisch, und gehe von einer Steigerung der Rentabilität im Jahr 2024 aus. Darauf basierend zeige die Studie im Vergleich zum Vorjahr eine Verbesserung des Geschäftsvertrauens (+ 8 %) . Dies liege jedoch nach wie vor weit unter dem langfristigen Durchschnitt. Die Aussichten werden durch das schleppende Wirtschaftswachstum in Europa und die ́realistische Sorge´ vor einer drohenden Rezession eingetrübt.
Die diesjährige Studie zeigt die komplexen Herausforderungen auf, mit denen der europäische Immobiliensektor konfrontiert ist. Entsprechend der Erwartung der Befragten, könnte die Branche auch mit schwächeren Vermietungsmärkten konfrontiert werden. Eine Stabilisierung der Finanzierungsbedingungen, eine leichte Erholung der Konjunktur und ein Rückgang der Zinssätze könnten dazu beitragen, das Gleichgewicht der Renditen wiederherzustellen. Zudem könne die bevorstehende Refinanzierungswelle, die zusätzlichen Bedarf an Eigen- und Fremdkapital schaffen werde, aufkommende finanzielle Schwierigkeiten verhindern.
Gute Chancen für antizyklische Investitionen
Die Branche zeige zwar eine abwartende Haltung, doch zeigten die Erfahrungswerte aus vergangenen Marktzyklen, dass diese Phasen sehr gute Einstiegschancen für antizyklische Investoren bieten können. Dabei werden die Investoren am meisten profitieren, so Thomas Veith, Head of Real Estate PwC Deutschland und Global Leader Real Estate: , die gleichzeitig die ESG- und Digital-Transformation mitdenken und am Ende die marktgängigsten Immobilien schaffen. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass es dafür einen einheitlichen Zeitplan für die verschiedenen europäischen Märkte gibt.“
Man gehe davon aus, dass die Verfügbarkeit von Fremd- und Eigenkapital in den kommenden Jahren deutlich eingeschränkt sein und zeitgleich erhebliches Kapital für Refinanzierungen und die Transformation von Immobilien benötigt werde, so Dr. Harald Heim, German Head of Real Estate Deals & Construction PwC sowie PwC EMEA Real Estate Deals Leader. Der Effekt der Kapitalknappheit werde insbesondere im Bereich der institutionellen Immobilienallokation verstärkt, da konkurrierende Asset Klassen, wie beispielsweise Rentenpapiere, deutlich an Attraktivität gewonnen haben.
Immobilien-Investoren bevorzugen Städte, die Liquidität bieten
Bei so viel Unsicherheit sind Immobilieninvestoren vorsichtiger denn je, wenn es darum geht, ihr Kapital in Europa anzulegen. Viele fokussierten sich in risikoreicheren Zeiten auf Städte n, die Liquidität bieten. Dementsprechend belegen London (1) und Paris (2) erneut die ersten beiden Plätze im Städteranking der Studie. Auf die beiden Städte entfielen in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 rund 15 % des gesamten Immobilientransaktionsvolumens in Europa. Auch in den anderen Städten, die in der diesjährigen Studie weitere vordere Plätze belegen, wird die hohe Liquidität in Verbindung mit der Wirtschaftsleistung deutlich: Madrid (3), Mailand (6) und Lissabon (8).
Die deutschen Städte Berlin (4, Vorjahr: 3), München (7, Vorjahr: 5), Frankfurt (9, Vorjahr: 7) und Hamburg (11, Vorjahr: 8) sind in der Rangliste der Investitions- und Entwicklungsaussichten abgerutscht. Die insgesamt düsteren wirtschaftlichen Aussichten für Deutschland im Jahr 2024 beeinflussen die Stimmung für diese Metropolen. Nach Angaben von Oxford Economics stehen die deutschen Städte vor stagnierenden wirtschaftlichen Wachstumsaussichten mit einem durchschnittlichen realen BIP-Wachstum von nur 0,1 % im Jahr 2023. Daten von MSCI zeigen, dass das Investitionsvolumen in Deutschland in den ersten neun Monaten des Jahres um 55 % gegenüber dem Vorjahr gesunken ist. Einige der an der Studie partizipierenden Befragten, weisen in ihren Antworten zudem darauf hin, dass sich die Immobilienpreise in Deutschland langsamer angepasst haben als in den meisten anderen europäischen Ländern.
Hohe Zinsen, der Krieg in der Ukraine, die (bislang) gestiegenen Baukosten und die Sorge um die Energieknappheit die Immobilienbranche erheblich beeinträchtigen, drücken die Stimmung deutsche Entwickler und Investoren. Notleidende Kredite sowie ein Rückgang des Eigenkaptals könnten die Branche und hier insbesondere die Bauträger ebenfalls negativ beeinflussen. Der Refinanzierungs-Druck sowie die Notwendigkeit, den Verschuldungsgrad zu verringern, lassen vermuten, dass mehr Cashflow in den Schuldenabbau fließen wird. Infolgedessen werden die Dividendenzahlungen an die Anleger wahrscheinlich geringer ausfallen, was zu Unzufriedenheit unter den Anlegern im In- und Ausland führt.
In Deutschland ist der Zugang zu Kapital aufgrund der schwierigen Marktbedingungen beeinträchtigt. Die Beleihungsquote sinkt derzeit von 60 % auf 50 %. Dies führt dazu, dass Immobilien mit geringer Energieeffizienz ein höheres Risiko für den Cashflow darstellen und daher ohne ausreichendes Eigenkapital keine Finanzierung erhalten. Insgesamt sieht sich die deutsche Immobilienbranche mit einem schleppenden Wachstum und drastischen Investitionsanforderungen konfrontiert, um die ESG-Konformität neuer und bestehender Immobilien zu gewährleisten. Auch der Entwicklung des Jahres 2025 stehen die Befragten skeptisch gegenüber.
Auswirkungen von ESG-Aspekten auf Vermögenswerte wachsen
In Europa hat die Immobilienbranche mit einem durch Inflationsdruck und hoher Zinsbelastung zu kämpfen. Zudem sind vier Fünftel der Befragten der Meinung, dass sich ESG-Aspekte in den nächsten 12 bis 18 Monaten wesentlich auf die Bewertungen von Vermögenswerten auswirken werden. Bis 2050, so die Erwartung, sollen die ESG-Kriterien sogar den größten Einfluss auf Immobilien haben werden. Damit einhergehend, ist davon auszugehen, dass globale Megatrends wie Klimawandel, Digitalisierung und Demografie den Appetit der Investoren auf Nischensektoren anregen. Anhand der Studie sind neue Energieinfrastrukturen (1), Datenzentren (2) und das Gesundheitswesen (3) die Bereiche, in die künftig am meisten investiert werden wird.
Die mittelfristigen Aussichten für Immobilien entwickelten sich deutlich positiver, davon ausgehend, dass sich die Zinssätze stabilisierten und die wirtschaftliche Unsicherheit weitgehend verschwinde, so die Bilanz von Sabine Georgi. Aus der fortschreitenden Urbanisierung, den technologischen und demografischen Megatrends sowie der zunehmenden Fokussierung von Nutzern und Investoren auf die Faktoren Gesundheit, Wohlbefinden und Nachhaltigkeit ergebe sich eine riesige Chance für die Immobilienwirtschaft.
Hier geht’s zum Download der Studie im PDF-Format »»
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