„Vielfalt, nicht Uniformität, ist Stärke.“ (Willy Brandt)
Rums, der vollbeladene Schlitten kam schlingernd zum Stehen. „Potz, Blitz und Rudolf nochmal“, ächzte Santa genervt. Um die Rentiere etwas zu entlasten, hatte sein Mechatroniker-Wichtel einen Hilfsmotor in das Gefährt eingebaut. Und jetzt funktionierte das blöde Ding nicht. „Mechatronix, wo steckst du?“, brüllte er ungehalten. Der Zeitdruck machte ihm von Jahr zu Jahr mehr zu schaffen. „Ups“, hickste der Techniker. Der sonst so zuverlässige Wichtel hatte sich nach getaner Arbeit schon mal den einen oder anderen Eierpunsch gegönnt und vor der Weihnachtsfeier etwas vorgeglüht. Trotz seiner derangierten Verfassung schwante ihm, was beim Tuning des Schlittens danebengegangen sein könnte: Monatelang hatte er vergeblich versucht, einen Elektro-Chip für das Aufmotzen des Schlittens zu ergattern. Umsonst, bis er während eines Ausflugs in den Süden mit einem Bauern handelseinig wurde und aus dessen Traktor einen Chip ausbauten durfte. Jetzt musste er wohl beichten.
Das Donnerwetter ließ nicht lange auf sich warten: „Du kleiner Schrottler, du kannst doch nicht einfach ein gebrauchtes Teil ohne Back-up einbauen. Schließlich geht es hier um Weihnachten. Kinder auf der ganzen Welt rechnen mit uns“, polterte Santa, besann sich aber gleich wieder. Mechatronix konnte wohl am wenigsten für diese Situation. Schließlich hatten auch seine Beschaffungs-Wichtel Probleme beim Einkauf dieser elektronischen Teile gehabt. Alles andere produzierten seine Werkstätten selbst.
Die Elektrochips waren die einzige zugekaufte Schwachstelle
Als er sich vor unzähligen Jahren entschloss, sich am nördlichen Polarkreis in Lappland niederzulassen, hatten die dort vorrätigen Erdöl-, Gas- und Eisenerz-Vorkommen, aber auch der riesige Baumbestand ihn in seiner Entscheidung bestärkt. Hier konnte er seine Werkstätten autark betreiben und alles herstellen, was der Wandel der Zeit so mit sich bringt, vom Holzspielzeug bis zum Fahrrad. Aber wer hatte damals an diese fiesen kleinen Dinger mit ihrer Hightech-Intelligenz gedacht? Ohne die funktionierte heute fast gar nichts mehr, selbst in Spielsachen wurden sie mittlerweile verbaut. Wer hätte je geglaubt, dass der eigene Fernseher oder das eigene Handy heute schon bei Sechsjährigen ganz oben auf der Wunschliste standen! Nun, so war es eben. „Nächstes Jahr bauen wir unsere eigene Chipfertigung“, murmelte er in seinen Bart.
„Alle haben es schwer, an Microchips heranzukommen“, mischte sich einer der Scoutwichtel ein. „Und wenn, dann nur zu stark überteuerten Preisen.“ Er war einer der kleinen Spione, die Santa losschickte, um die Menschen zu beobachten und die Wünsche der Kinder in Erfahrung zu bringen. „Allgemein leiden die Menschen unter den steigenden Preisen, alle Ressourcen werden knapper, Lebensmittel und andere Produkte werden teurer. Und das Geld verliert obendrein an Wert!“
„Da wird man wohl künftig den Gürtel enger schnallen müssen!“
„Das muss ja auch nichts Schlechtes sein. Viele haben mehr als genug. Und diejenigen, die nichts haben, werden sich auch über Kleinigkeiten freuen und die können wir liefern. Los jetzt, ich habe einen Termin einzuhalten, der seit Jahrhunderten steht!“, Santa runzelte die Stirn und atmete tief ein. „Es muss jetzt ohne den Chip gehen. Also raus mit dem Teil, Mechatronix. Und ihr anderen Wichtel helft mir, den Schlitten so zu beladen, dass ich jedem Kind wenigstens einen Wunsch erfüllen kann. Gott sei Dank leite ich ein Non-Profit-Unternehmen. Meine Rendite liegt in der Zuversicht der Kinder, dass Wünsche in Erfüllung gehen können und in ihrer Freude und ihrem Staunen darüber, dass Wunder geschehen.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien ein Frohes Fest und einen guten Start in ein zuversichtliches neues Jahr! Ihre Redaktion
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