Trotz Pandemie erwirtschaftete die deutsche Möbelindustrie mit rund 8,4 Mrd. € ein Umsatzplus von 4,3 Prozent im ersten Halbjahr 2021. Positive Impulse kamen vor allem aus dem Auslandsgeschäft (+ 10,6 %).
Jan Kurth, Geschäftsführer der Verbände der deutschen Möbelindustrie (VDM/VHK), erklärt am 23. August 2021 zur wirtschaftlichen Situation der Branche:
„Schon im zweiten Jahr in Folge erlebt die deutsche Möbelindustrie Corona-bedingt einen äußerst volatilen Geschäftsverlauf…Erste positive Impulse gab es dann im Frühjahr mit Lockerungen auf wichtigen Auslandsmärkten wie Österreich.“
Gleichzeitig stelle die anziehende Nachfrage die Branche vor große Herausforderungen, denn bei vielen wichtigen Vormaterialien bestehen weiterhin erhebliche Engpässe. Neben Holzwerkstoffen sind unter anderem Metallkomponenten, Beschläge, elektronische Bauteile, Polsterschäume, Bezugsstoffe und Verpackungsmaterialien knapp. „In unserer jüngsten Verbandsumfrage gaben 42 Prozent der befragten Möbelhersteller an, dass sich die Materialversorgung im Juli 2021 gegenüber dem Vormonat weiter verschärft hat“, so der VDM-Geschäftsführer.
Küchenmöbelindustrie mit starkem Plus
Im Hinblick auf die aktuelle Umsatzentwicklung gibt es erhebliche Differenzen zwischen den einzelnen Segmenten der deutschen Möbelindustrie. Nach Angaben der amtlichen Statistik verzeichneten die Küchenmöbelhersteller einen kräftigen Umsatzanstieg um 16,3 Prozent auf rund 2,8 Mrd. € und wiesen damit eine wesentlich bessere Performance als andere Segmente auf. Einen überdurchschnittlichen Anstieg registrierten auch die Hersteller von Polstermöbeln, deren Umsätze von Januar bis Juni 2021 um 17,5 Prozent auf rund 500 Mio. € zulegen konnten. Auch das kleinste Segment der Branche – die Matratzenindustrie – wies ein Umsatzplus in Höhe von 3,5 Prozent auf rund 363 Mio. € aus. Die Umsatzentwicklung beim größten Segment der Möbelindustrie – den sonstigen Möbeln (darunter Wohn-, Ess- und Schlafzimmermöbel) sowie Möbelteilen – fiel mit minus 5,8 Prozent auf 2,8 Mrd. € dagegen negativer aus als im Branchendurchschnitt.
Auftragseingänge zeigen sich heterogen
Nach internen Erhebungen der Fachverbände stieg zwar der Auftragseingang in der deutschen Küchenmöbelindustrie in den ersten sechs Monaten 2021 um 13,3 Prozent. In der Polstermöbelindustrie wurde jedoch ein Rückgang um 6,6 Prozent und in der Wohnmöbelindustrie sogar ein deutlicher Rückgang um 9 Prozent registriert. Die im Vergleich zur amtlichen Statistik deutlich negativeren Ergebnisse sind vor allem auf das zeitliche Auseinanderfallen zwischen Auftragseingang und Umsatz und den guten Auftragsbestand zum Ende des Jahres 2020 zurückzuführen.
Auslandsgeschäft entwickelt sich positiv
Die deutschen Möbelexporte stiegen im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 22,6 Prozent auf 4,17 Mrd. €. In den meisten europäischen Ländern legte der Export vor dem Hintergrund der Überwindung der negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise deutlich zu. Besonders erfreulich ist die Steigerung der Ausfuhren nach Frankreich als mittlerweile wichtigsten Exportmarkt der deutschen Möbelindustrie mit einem Plus von 46 Prozent, gefolgt von der Schweiz (+16 %), Österreich (+25,5 %) und den Niederlanden (+ 15,6 %). Wiederbelebt zeigt sich auch der britische Markt nach der Unterzeichnung des Handelsabkommens mit der EU mit einem Plus im ersten Halbjahr von 25 Prozent. In fast allen anderen europäischen Exportmärkten wurden ebenfalls deutliche Anstiege verzeichnet.
Auch die außereuropäischen Exportmärkte entwickelten sich im bisherigen Jahresverlauf positiv. Dabei erholte sich der chinesische Markt von den Auswirkungen der Corona-Krise und verzeichnete im ersten Halbjahr 2021 ein Wachstum von 13 Prozent. Während das Wachstum in Russland mit plus 7 Prozent ebenfalls ordentlich ausfiel, gingen die Exporte in die USA angesichts der für Europäer nach wie vor geschlossenen Grenzen zurück. Wenn auch auf niedrigem Niveau: Positiv entwickelten sich auch die Exporte nach Saudi-Arabien mit einem Plus von 38,7 Prozent.
Möbelimporte verzeichnen Wachstum
Nachdem die deutschen Möbelimporte im Gesamtjahr 2020 nur leicht gestiegen waren, legten sie von Januar bis Juni 2021 um 23 Prozent auf 4,9 Mrd. € zu. Die Dynamik in den einzelnen Ländern zeigte sich jedoch sehr uneinheitlich: Mit einem außerordentlich hohen Zuwachs von 45 Prozent auf knapp 1,5 Mrd. € stiegen die Einfuhren aus China überdurchschnittlich stark. Damit löste das Reich der Mitte Polen (+9%) als das bisher wichtigste Möbelherkunftsland ab. Fast jedes dritte nach Deutschland importierte Möbel (knapp 30%) stammt inzwischen aus China. Der Anteil Polens an den Gesamtimporten ging dagegen auf rund 27 Prozent zurück. Die Importe aus dem drittplatzierten Italien legten um 13 Prozent zu.
Für den Herbst geht der Verband von einer spürbaren Belebung aus. „Wie eine von uns in Auftrag gegebene Studie der Unternehmensberatung Titze ergeben hat, erhöhten sich die durchschnittlichen Möbel-Ausgaben je Haushalt im vergangenen Jahr auf 760 Euro (Vorjahr: 725 Euro)“, so Jan Kurth. „Positive Impulse kommen zudem vom Möbel-Onlinehandel, der in der Corona-Krise einen Schub erfahren hat und dessen Anteil wir mittlerweile auf mindestens 20 Prozent schätzen.“
Trotz aller positiver Signale geht der Verband für das laufende Geschäftsjahr von einem Umsatz auf Vorjahresniveau aus. So seien die konkreten Auswirkungen der Materialknappheiten auf die Geschäftsentwicklung nur schwer einzuschätzen. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass der Geschäftsverlauf im zweiten Halbjahr 2020 – dem Vergleichszeitraum – unter anderem aufgrund der starken Nachholeffekte nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 und wegen des Mehrwertsteuereffekts ausgesprochen positiv war.
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